man kann es wenden und drehen wie man will – am ende kriegt mr. murphy sein law durchgesezt. und dass er es durchzieht, ohne rücksicht auf verluste – das bekomme ich gerade schön detailliert zu spüren. mitunter lag es an seinem gauklerspiel mit mir, dass ich nicht mehr wie gewohnt in die tasten hauen konnte/wollte.
nun will ich darüber berichten.
euphorie nach dem studium: „vom schreiben leben? null problemo!“
seit einer gefühlten ewigkeit (oder genauer: seit ende meines erststudiums) habe ich nichts anderes getan als mich zu bewerben. ok, von dem bereich „was mit medien“ wurde ich ja immer wieder mal gewarnt, aber hey: ich fühlte mich einfach nicht angesprochen. schließlich habe ich doch bis dahin alles richtig gemacht: freie mitarbeit während des studiums in lokalen magazinen, eine hospitanz und praktika in anderen redaktionen. auch den famosen blick über den tellerrand, in diesem fall in einen anderen medienbereich habe ich gewagt. nichts von dem, was ich sah, hat mich abgeschreckt. als ich mein magister artium endlich in der hand hielt (und sohnemann in der anderen, und den gatten an der seite), hieß es klar und deutlich: auf nach medienhausen!
berufseinsteigerphase oder die langsame zerstörung des selbstwertgefühls
frisch von der uni und noch voller euphorie und zuversicht, dass es nur eine sache von ein paar monaten sein wird, bis eine mich eine stelle als freie mitarbeiterin oder gar ein volontariat anlacht, ging ich ans werk – und schickte den ersten schwall an bewerbungen los. immerhin hatte ich bereits eine menge arbeitsproben zur hand und wusste so einiges rund um das journalistische schreiben. und dann war da ja noch mein ethnologie-studium, das mich zu einer kritischen, (selbst-)reflektierten journalistin macht (und das ist doch gut, oder?).
da mein werter ehegatte noch dabei war, bachelor zu werden (nein, nicht der. der richtige, mit grips und so) und ich mit sohnemann beschäftigt, beschränkte ich mich bei der arbeitsuche nur auf die nähere umgebung. auch ein leben als freelancerin klang wie musik in meinen ohren! hey, da bin ich doch tatsächlich dem irrglauben anheim gefallen, home office und familie könne man ja so wunderbar miteinander vereinbaren! heute weiß ich: brotkrümel auf der tastatur sind eine lapalie im vergleich zu den gefühlsausbrüchen, die man bekommt, wenn man deadlinegeplagt ist und dennoch nicht in ruhe zu ende denken kann, weil jemand „mal kurz“ was fragen will.
dann kamen die absagen.
die ersten kratzer an meinem selbstwert-kostüm habe ich noch munter wegerklärt. „ach ja, ich bin ja auch nicht „studierte journalistin“, da quereinsteigerin. vielleicht fehlt den arbeitgebern doch noch der besondere „journalistin!“-wisch.
also hab ich wieder studiert. journalismus und pr. fernuni. zig monate lang habe ich module durchgearbeitet über presserecht, schreiben von reportagen und portraits und ja, auch fiktive, aber dennoch detaillierte pr-konzepte habe ich mir aus den fingern gesaugt.
und die absagen flatterten weiterhin quietschvergnügt in mein postfach. und jede einzelne hinterließ weitere kratzspuren auf meinem „das bin ich“-kostüm. denn egal wie freundlich und diplomatisch sich die personaler auch gaben: der satz „wir haben uns für jemand anderen entschieden“ kann ich nicht nicht persönlich nehmen! nicht bei diesem lebenslauf, bei dem alle schritte – die praktika, die arbeitsproben, die zusatzqualifikationen – auf dieses eine berufsbild abzielten. denn wenn das alles vorhanden ist, wie bei vielen anderen mitbewerbern auch: welche kriterien bleiben, um dennoch nicht genommen zu werden?
dazu kam die arbeits/bezahlsituation unter den freelance-jobs. wieviele gespräche fingen mit „ja, wir freuen uns wahnsinnig, dass sie für uns schreiben wollen!“ und gingen weiter mit „…aber leider können wir sie nicht bezahlen.“ das „…würden sie uns dennoch etwas schreiben? vielleicht einen artikel à 8.000 zeichen?“ habe ich anfangs noch angenommen (tja, mit „arbeitsprobe – in dem heft!“ etc. kriegt man die anfänger halt immer wieder). dass dieser umstand mich mit der zeit dennoch innerlich ziemlich zermürbt hat, merkte ich an meinem zunehmend aufkommendem unvermögen, mich unverzüglich und voller elan an die arbeit zu setzen. und das zu themen, die ich selbst angeregt habe und für die ich brannte (!) bis ich sie an jemand „verkaufte“. mit fremdbestimmter deadline und einem nicht vorhandenen oder so kleinem-dass-es-nicht-mal-der-rede-wert-ist- honorar.
unten am boden…
wozu hat das geführt?
sich ducken, abtauchen, nicht mehr da sein.
totenstille.
das schreiben entglitt mir. und machte mir einfach keinen spass.
und das wiederum macht mir angst. dass diese erlebnisse, die absagen und die prekären arbeitsverhältnisse, denen ich in der schreibzunft begegnet bin (und begegne), die macht haben, dass mir es am ende nicht mehr gelang, wovon ich die letzten jahre so stark geschwärmt und geträumt habe: mit freude tolle geschichten über tolle menschen niederzuschreiben. (und auch noch damit meine familie zu ernähren).
das ist doch gruselig, oder?
da war ich nun – eine studierte (und dann noch mal studierte) hochschulabsolventin-berufseinsteiger-mama mit etlichen freelanceraufträgen gesegnet (und geplagt), und mit einer erdrückend schweren last an absagen.
zerkratzte selbstwerthülle, positives denken proklamierend, innerlich voller selbstzweifel, äußerlich höchstoptimistisch vor fremden, ein häufchen elend und zu tode getrübt im kreise von freunden und der familie.
die immer wiederkehrenden gedankenspiralen, die einen im nu in teufels küche namens „wer bin ich und was kann ich denn überhaupt?“ hinabführen, konnte ich nur mithilfe von vielen, immer wiederkehrenden gesprächen (mit mutter, und durch sie mit walsch, tolle & co) abwenden.
alles neu. fürs erste
gegen ende des letzen jahres habe ich die reißleine gezogen. es ging einfach nicht mehr.
vielleicht folge ich tatsächlich einem der ratschläge, die menschen um mich herum mir immer wieder einzutrichtern versuchten. etwa dem: „hör auf zu kämpfen – und lass dich treiben.“
ich beschloss einen richtungswechsel, habe die berufsbranche gewechselt und mich im sozialen bereich beworben. und was soll ich sagen: gleich beim ersten vorstellungsgespräch hat’s geklappt.
diese neue arbeit ist komplettes neuland für mich. aber sie macht jetzt schon spass. mehr kann ich dazu nicht sagen. noch nicht. aber es kommt 🙂
aber: selbstverständlich werde ich weiterhin schreiben, denn wer mich kennt, weiß: es lassen kann ich’s nicht! aber ich mach es nun anders. ich schreibe mit gelassenheit und ohne druck. soweit zumindest der plan 😀
und warum mr. murphy jetzt?
tja – dem habe ich es zu verdanken, dass meine familie seit anfang dieses jahres – wie soll ich das nun nennen… verstrohwitwet (?) ist. denn meinen mann hat es beruflich in den süden verschlagen. nein, nicht südlich von mainz. in den süden deutschlands, in die „stadt der ignoranz“, wie ein freund amüsant zu sagen pflegte. ich derweil, die sich bereits beim umzugskisten packen sah, arbeite nun in unserer nachbarstadt. und ich meine, es wäre ja jetzt nicht so, dass wir uns um wichtige dinge kümmern müssten wie wo richten wir unseren lebensmittelpunkt aus, wo darf ich meinen sohn einschulen, das ebenfalls in diesem jahr ansteht.
fragen über fragen. genau, das ist es eigentlich: überfragen. da ich nicht weiß, wohin mich/uns die zukunft führt, gehe ich langsam, schritt für schritt, lebe im jetzt und hier, und lasse mich treiben.
ach ist das lustig, dieses leben.
Groß- und Kleinschreibung benutzen Sie aber schon in Ihren Bewerbungen, oder?
kommt auf den arbeitgeber an 😉
Liebe Julia, was für ein schöner Artikel! Toi toi toi zum neuen Job, dass es weiterhin Spass macht! Glg Céline