Was passiert, wenn das Leben, das man bisher kennt, den Bach herunter geht? Wenn wir dank Krisen und Katastrophen nicht mehr jederzeit Ware gegen Geld tauschen könnten? Ein Jahr lang experimentierte die Autorin Greta Taubert, wie sie in einer postapokalyptischen Welt abseits von Konsum und Komfort überlebt.
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Davor
An einem allsonntäglichen Familiennachmittag, bei Klößen, Hirschbraten und Schichtcremetorte ist sie plötzlich da: die blanke Existenzangst. Was, fragt sich die Journalistin und Autorin Greta Taubert, wenn dieses wunderbare, Schlaraffenland, das wir kennen, plötzlich nicht mehr existiert? Wenn die düsteren Prophezeihungen der Konsumkritiker und Apokalypse-Gurus vom Ende der Wohlstandsgesellschaft in Erfüllung gehen und das üppige Mahl auf der Wachstischtuchdecke der Oma zu einer Erinnerung an „gute alte Zeiten“ mutiert? Würden wir, konsumverwöhnte Großstädter, überleben? Und wenn ja: Wie überhaupt?
Gepackt von dieser anfangs als übertrieben anmutenden, doch im weiteren Verlauf des Buches so gar nicht abwegigen Existenzangst fasst Greta Taubert einen Entschluss: Ein Jahr lang will die preisgekrönte Autorin lernen, wie sie in einer solchen Welt zurechtkommen könnte.
Mittendrin
Denn eines geht ihr gehörig gegen den Strich: Trotz des nicht abreißenden Stroms an Schreckensmeldungen – Krieg und Terror, Rohstoffknappheit, Raubtierkapitalismus, Umweltzerstörungen und dergleichen mehr – und trotz der Warnungen des Club of Rome, die seit 1972 an die Grenzen des Wachstums erinnern, scheint sich keiner ernsthaft mit der Möglichkeit zu befassen, dass es tatsächlich mal Aus sein könnte mit der Welt des „Mehr, Mehr, Mehr.“
Taubert will es nun wissen. Und beginnt Anfang 2013 ihr Apokalpysentraining mit einer Notfalldiät. Auf der Seite vom Bundesamt für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz kann man mit Hilfe eines „Vorratskalkulators“ sich zusammenstellen lassen, welche und wieviele Lebensmittel etwa eine 4-köpfige Familie bräuchte, um zwei Wochen lang zu „überleben“.
Nach zwei Wochen ist die Journalistin um einige Kilo leichter – und umso entschlossener, autonomer zu werden – und im Notfall auch in der Lage, ihr eigenes Überleben zu sichern. Im Laufe des Jahres lernt sie, sich „wie ein Urmensch“ von Wildkräutern und Früchten zu ernähren, Pilze auf Papier und Sägespänen zu züchten, mitten in Berlin Gemüse anzubauen, aus alten Hemden neue Hosen zu nähen, Glasdeckeln und Muttern (nicht Mütter!) postapokalyptischen Schmuck zu machen, in alternativen neohippigen Aussteigerkommunen Trockentoiletten zu bauen, ohne Geld zu leben und vieles mehr. Dabei lernt sie viele Menschen kennen, die bereits vor ihr damit begonnen haben, sich ihre Autonomie von fremdbestimmter Konsumgeilheit zurück zu erkämpfen.
Durch ihren reportagigen Schreibstil, gekonnt switcht Taubert zwischen Information und atmosphärischem Erzählen, gelingt es ihr, den Leser mitzunehmen, so dass man das Gefühl bekommt, mit ihr vor Ort dabei gewesen zu sein.
Danach
Nach einem Jahr voller Einblicke in diverse Postapokalypse-resistente Lebenssphären von Preppern, Crashies, Apokalyptikern & Co zieht Greta Taubert in ihrer Altbauwohnung ihr Fazit.
Die Angst, in einer Welt ohne Supermärkte und Shoppingzentren zu verhungern und zu erfrieren, ist einer Zuversicht gewichen. Es gibt Möglichkeiten, Mittel und Wege, sich wieder ein Stück Autonomie zurückzuholen. Die wichtigste Erkenntnis, zu der Greta Taubert gelangte, ist jedoch: Solange der Mensch sich in Erinnerung ruft, dass er gemeinsam stärker ist als alleine, dass man mit einem „WIR“ weiter kommt als mit einem „Ich“, solange können wir die Zuversicht haben, überleben zu können. Auch in einer post-apokalyptischen schönen neuen Welt.
Greta Taubert. „Apokalypse Jetzt! Wie ich mich auf eine neue Gesellschaft vorbereite„. Eichborn Verlag
