als ich mich vor ein paar jahren entschied, wieder in richtung heimat zu ziehen, machte ich mir einen relativ überschaubaren plan: wir kommen vorübergehend im elternhaus unter und suchen von hier aus weiter nach einem festen wohnsitz. schließlich ists einfacher, besichtigungstermine vor ort zu machen, dachte ich. und in nullkommanix sind wir wieder in eigenen vier wänden. mittlerweile sind 2 jahre vergangen. die zeilen schreibe ich noch immer von elterns sofa aus. denn von eigenen vier wänden weit und breit keine spur.
als dauergast im „hotel mama“ zu leben führt nun aber heutzutage hierzulande nicht unbedingt zur anerkennung und bewunderung, ob der herzlichen beziehungen und verständigung zwischen den generationen, nein, man kriegt eher den stempel aufgedrückt, als „unselbstständig“ zu gelten. was mich zu der frage führt: bin ich unselbstständig, weil ich in elterns haus wohne?
anders würd’s ja auch gehen
ok, ich wohne also im elternhaus. und ja, sie helfen aus, sei es, bei kindesbetreuung im krankenfall oder erledigung der einkäufe oder -fahrten.
natürlich könnte auch alles anders laufen.
ich könnte auch in irgendeine wohnung ziehen und (mehr) miete zahlen – und das (übrigens freiwillige) angebot, im elternhaus (vorübergehend!) zu wohnen, ausschlagen.
ich könnte mein kind auch „selbst“ betreuen, indem ich es in fremdbetreuung abgebe, während ich länger arbeiten gehe, um meine wohnung plus fremdbetreuung zu finanzieren. und die angebotene hilfe der (groß-)eltern ablehnen.
ich könnte sogar meine kids zum sportkurs mitnehmen und sie dort in die kinderbetreuung abgeben. klar, der große würde sich mächtig langweilen, da er wohl als ältester inmitten krabbelnder, windeltragender babys wäre. und der kleine würde bittere tränen weinen in den armen einer fremden frau. dafür könnte ich dann aber stolz „selbst(ständig) ist die frau“ posaunen, sich by the way noch den titel der rabenmutter sichern – und die angebotene hilfe der (groß)eltern ablehnen.
auch für die erledigungen in der stadt könnte ich die kids mitnehmen. natürlich würden wir alle nassgeschwitzt und genervt durch die geschäfte hetzen und daheim feststellen, dass ich die hälfte der besorgungen vergessen habe, dafür aber dem kind doppelt so viel unnützes zeug gekauft habe. die angebotene hilfe der (groß)eltern, auf die kids daheim aufzupassen würde ich dann natürlich ablehnen. und wofür? genau, um selbstständig zu sein.
was bedeutet das überhaupt: unselbstständig?
ab wann gilt man als unselbstständig?
ist eine frau mit kind(ern), deren mann mehrere hundert kilometer entfernt arbeitet und nur an wochenenden da ist, und die die hilfe ihrer eltern annimmt, unselbstständig?
ist ein kind, das ein praktikum in einer anderen stadt macht und der/dem die eltern beim umzug helfen, unselbstständig?
ist ein mensch, der zwar arbeitet, aber dennoch nicht genug geld für die monatlichen ausgaben verdient, und daher geld bei den eltern/familienmitgliedern borgt, unselbstständig?
und: ist es verkehrt, wenn eltern ihre hilfe selbst und freiwillig anbieten, diese anzunehmen?
familie ist, wenn man füreinander da ist
natürlich wünsche ich mir, all meine sachen alleine regeln zu können. fakt ist aber, werde ich nicht schaffen. die „hilfe“ wird einfach nur woandershin verlagert, weg von der familie (und in unserem fall einer überaus hilfsbereiten!), hin in irgendwelche fremdeinrichtungen, hin zu fremden personen, die nicht nur geld kosten, sondern auch manchmal argwohn und nerven.
daher sehe ich bei der hilfe mit kindern überhaupt keinen grund, warum ich es anders und damit mir und meinen kindern das leben unnötig schwerer machen soll. vor allem wenn ich mit solchen hilfsbereiten eltern gesegnet bin – und mein sohn mit tollen großeltern, wie wir sie nunmal haben.
ich kenne menschen, bei denen es nicht anders geht als sich komplett alleine (naja, mit hort und babysittern dann) um die betreuung der kinder zu kümmern. entweder sind deren eltern vollzeit arbeitend oder sie wohnen zu weit weg oder sind zu alt, zu krank – oder zu sehr freiheitsliebend oder zu distanziert oder oder – um die enkelkinder ne zeitlang zu sich zu nehmen. diese menschen bewundere ich und wünsche ihnen viel viel kraft, optimismus, durchhaltevermögen und gute sterne, damit sie auch weiterhin diese child-work-life-balance durchhalten.
ich kenne menschen, die sich mit ihrer kernfamilie spinnefeind sind, keinen kontakt pflegen, aus diesen gründen ihr leben selbst regeln mussten/müssen und nun darauf auch noch stolz sind, dass sie ohne die erfahrung einer sie liebenden familie aufwachsen mussten, in der es gang und gäbe und völlig normal ist, füreinander da zu sein. oder sie haben es sich in den kopf gesetzt, dass sie es im leben „ganz allein“ schaffen müssen, dass das leben ein kampf ist, dass „hilfe annehmen“ mit schwäche gleichzusetzen sei und mit „unselbstständigkeit“, dass sie für ihre eltern keine (zusätzliche) last sein wollen.
an dieser stelle sei hinzugefügt: also, ich empfinde meine kinder absolut nicht als zusätzliche last, sondern als bereicherung. auch wenn ich ihnen helfe. ich meine, ich habe mich für sie entschieden und will, dass es ihnen gut geht. daher ist helfen für mich selbstverständlich, wann immer und wo immer ich es kann.
die letztere gruppe der menschen betrachte ich mit einer mischung aus mitleid und bewunderung und bin dem universum umso dankbarer, dass es mit mir so gut meint.
und dann gibt es eben auch andere familien. solche, in denen die (groß-)eltern sich gern und viel einbringen, die ihre enkel gern um sich haben und gern auch allwöchentlich aufgaben wie enkelkind-abholen und mittagessen-kochen übernehmen. wenn man solche eltern hat – warum deren hilfe ablehnen?
mir fällt da nur (falscher) stolz ein. ein gefühl des sich-beweisen-müssens. seht her, ich bin so toll, so selbstständig, wehe, ich nehme hilfe an, dann denken ja die anderen, dass ich nicht in der lage bin, etwas selbst in die hände zu nehmen. ein gefühl, hinter dem sich womöglich ein anderes verbirgt – das der eigenen unsicherheit, oder angst, nicht gut oder ein loser zu sein.
ich habe mich von dieser art zu denken losgesagt. ich habe es einfach entschieden, dass hilfe anzunehmen, und zwar von meiner familie, kein zeichen von schwäche ist. ich messe mein selbstwertgefühl nicht (mehr) daran, ob und wieviel ich alleine packe, sondern empfinde eine tiefe dankbarkeit dafür, dass ich mit solchen eltern gesegnet bin, die mir immer, jederzeit und bedingungslos signalisieren, dass wir kinder – und die enkelkinder – in ihrem haus und in ihrem leben immer willkommen sind. (was nicht bedeutet, dass wir nicht weiterhin auf wohnungssuche sind. falls das hier jemand liest und ein passendes angebot für uns hat: bitte pn an mich 😀 )
diese symbiose – die zweifelsohne auch eine win-win-situation für alle ist – kinder haben eltern und großeltern um sich, eltern haben ab und an ruhephasen, großeltern sind am großwerden der enkel hautnah beteiligt – die entstanden ist, will ich in unserem leben nicht mehr missen.
In ländlichen Regionen ist das typisch, dass die Kinder im gleichen Haus wohnen (meistens nicht in der selben Wohnung, aber so viel Trennung gibt es da nun auch nicht). Warum auch nicht? Das Haus wird früher oder später sowieso an eines der Kinder vererbt oder überschreiben.
Ich persönlich bin mit 16 von zu Hause ausgezogen. Grund dafür war eine Ausbildung, die es nur in der 50km entfernten Stadt gab. Mittlerweile (der Liebe wegen) wohne ich 450km entfernt. Mir persönlich tut der Abstand zu meiner Familie gut. Ich genieße die langen Telefonate mit Mutti und die verlängerten Wochenenden, die ich bei ihnen sein kann. Man schätzt das Miteinander viel mehr, wenn man es nicht ständig haben kann. Andere verlieren vielleicht den Draht zueinander. Mein Verhältnis zu meinen Eltern ist seither viel entspannter.
Jeder Mensch ist anders und wenn es dem einen Hilf Abstand zu haben, ist es für den nächsten perfekt, wenn er die Eltern in Rufweite hat. Alles super 🙂
Liebe Grüße > sara
liebe sara, vielen dank für dein kommentar! in der tat habe ich dasselbe beobachtet, denn viele meiner neuen bekannten hatten tatsächlich denselben werdegang – als es sie wieder in die heimat verschlug, dann kamen sie erst im elternhaus unter. und manche beschlossen, da auch zu bleiben 🙂
ich finde es ebenfalls gut und auch wichtig, in die ferne zu ziehen und abstand zum elternhaus zu gewinnen. abstand tut einfach gut, um manche dinge klarer zu sehen. der entschluss, in die heimat zurückzukehren erfolgte dann auch viel bewusster:) (dass es sogar das elterliche haus sein würde, war soo nicht wirklich geplant, aber nun isses halt so) und es ist richtig schön, zu sehen, wie die familie harmoniert und wie großeltern und enkelkinder das zusammensein genießen. genau, jeder ist anders und ich wollte hierzu ein paar gedanken aus meiner sicht loswerden, um jene, die anders denken, um eine denkfacette zu bereichern. 🙂 lg julia