Hokus Pokus und Simsalabim · 17. März 2015

götter im gepäck

amulette und talismane bringen glück, gesundheit oder schützen einen vor bösen geistern. in vielen indigenen gesellschaften ist der glaube an die magische wirkung von talismanen präsent. in unseren kulturkreisen werden solche kraftgegenstände meist in die vergangenheit verortet. dorthin, wo der aberglaube allgegenwärtig und die erde noch eine scheibe war. aber: stimmt das wirklich? wenn ihr das glaubt, dann muss ich leider widersprechen: ihr seid im unrecht 🙂
ein schutzamulett aus thailand, eine kräutermischung aus marokko oder eine trommel aus der mongolei – fast jede_r von uns ist im besitze solcher mitbringsel, die wir aus unseren ausgedehnten reisen nach hause holen und die seither in glasvitrinen als „andenken“ oder als „ethno“-schmuck herhalten müssen. fragt man dann „was ist das?“ und „wofür ist das?“ und „wovon schützt denn das schutzamulett jetzt?“ dann schmunzeln wir.
denn: magische kräfte? pff, daran glauben wir ja schon lange nicht.
nun, da, wo sie her kommen, ist es anders. in vielen indigenen gesellschaften haben diese gegenstände auch heute noch eine besondere spirituelle bedeutung.

die magie von schall …

bei schamanen, heilern gehören amulette, kräutersäckchen sowie musikinstrumente zur standardausrüstung. so kommt den trommeln und rasseln in schamanischen gesellschaften, insbesondere bei sakralen ritualen, eine bedeutende rolle zu. die schamanentrommel etwa. sie erfüllt viele funktionen: damit rufen die schamanen ihre ahnen an oder sie wehren mit ihrer hilfe schädliche geister ab (siehe michael oppitz in: „die trommel. modell des schamanischen kosmos“). die schamanentrommel wird für jeden schamanen individuell angefertigt, die zeichnungen auf ihr spiegeln die geschichte und die mythologie des schamanen und seines volkes wieder. in manchen gesellschaften bedeutet ihr name übersetzt „pferd“ oder „reittier“, weil das monotone trommeln an ein galoppierendes tier erinnert. und monotones trommeln versetzt schamanen in trance – in jenen bewusstseinszustand, der ihnen die welt der geister sichtbar macht. (so ist es halt. ich habs ausprobiert. da ist was dran.)
ein beispiel aus unserem kulturkreis? gibt es. zum beispiel techno-parties. auch da bringt euch die musik in einen tranceartigen zustand. (aber da der kontext ein anderer ist…ist es „nur“ spass.)
wenn ihr euch aber (wahrhaftig, denn das ist die voraussetzung) auf dieses „experiment“ einlasst, dann werdet ihr auch hier merken: da ist was dran.

… und rauch

kräutermischungen, tees, zigarren – auch diese gehören zu beliebten mitbringseln.
aber auch kräuter und pflanzen verfügen, so der glaube, über magische fähigkeiten.
sie können heilen oder krank machen. manche pflanzen, wie etwa ayahuasca bei den südamerikanischen quechua, haben (nachgewiesenermaßen) bewusstseinsverändernde stoffe. benutzen schamanen diese pflanze bei ihren ritualen, können sie neue sichtweisen auf problemstellungen entwickeln. daher bezeichnen viele solche „geistbewegenden“ pflanzen, wie sie der anthropologieprofessor luis eduardo luna nannte, als „lehrerpflanzen“.
auch in unseren westlichen gesellschaften ist eine solche „lehrerpflanze“ salonfähig geworden: der tabak. schamanen und medizinmänner nutzten diesen zu rituellen zwecken, etwa als opfergabe an die götter.
hierzulande wurde diese „lehrerpflanze“ zu einem „genussmittel“, tja, was denn nun: degradiert? oder warum wird hier geraucht?

die götterwohnstätten

zu den wichtigsten aufgaben der schamanen oder medizinkundigen gehört das heilen von krankheiten. wenn sie zu hilfe gerufen werden, dann kommen sie in der regel nicht alleine. sie bringen ihre helfer aus der welt der geister mit.
das sind zum einen die ahnengeister. während der heilungsrituale stehen sie den schamanen mit rat zu hilfe.
diese werden z.b. in großen schnitzfiguren dargestellt, wie etwa bei dem sibirischen volk der udehe. neben den ahnengeistern unterstützen auch die hilfsgeister die schamanen bei ihren ritualen. diese haben oft tiergestalten und werden in figuren aus eben jenem fell, gefieder oder ähnlichem dargestellt.
viele indigene gesellschaften sehen die ursache von erkrankungen in der geisterwelt.
wird der mensch krank, so ist er von bösen geistern besessen oder seiner seele beraubt.
die aufgabe des schamanen ist es dann, diese geister aus dem körper des betroffenen zu vertreiben. hierzu müssen sie zuerst aus dem körper in ein anderes gefäß „gelockt“ werden. die schamanen südsibiriens (altaier, tuviner oder buriaten) besitzen hierfür bestimmte holzgegenstände, um die geister auf diese art zu transportieren.

alles längst ausgestorbener aberglaube. oder doch nicht?

trommeln, kräuter, „beseelte“ holzfiguren – laut religiösen vorstellungen in indigenen gesellschaften verfügen sie entweder von anfang an über magische funktionen oder können mit magischen attributen versehen werden.
es sind heilige gegenstände, daher begegnet man ihnen mit respekt und achtung.
der glaube, dass in gewissen gegenständen, in pflanzen, in „toter“ materie magische kräfte schlummern, die einen beschützen, ist alt. sehr, sehr alt sogar.
in kulturwissenschaftlichen kreisen bezeichnet man dieses denken als „magisches denken“ und ist vor allem in animistischem glauben verankert.
thomas grüter unterscheidet in seinem buch „magisches denken: wie es entsteht und wie es uns beeinflusst“ zwei arten des menschlichen denkens: das eine ist analytisch-rational, das andere, entwicklungsgeschichtlich viel ältere erfahrungssystem ist intuitiv, gefühlsbetont und „vorbewusst“.
heute tun insbesondere wir in „aufgeklärten“, westlichen gesellschaften jenes denken als aberglauben ab, das in unserer kultur längst der vergangenheit angehört. oder noch schlimmer: das nur noch in so genannten „naturvölkern“ in fernen ländern existiert.
aber bei genauerem hinsehen erweist sich diese annahme als zu vorschnell gegriffen:
ein glücksschwein am schlüsselbund, riesenfreude, wenn wir ein vierblättriges kleeblatt gefunden haben, hasenpfote. auch hierzulande haben wir glücksbringer. in dieser form lebt das magische denken auch in unserer gesellschaft weiter.
und selbst in großen monotheistischen religionen hat es sich eingebürgert, christliche, jüdische oder islamische symbole als ohrring, kette oder handyanhänger mit sich zu tragen. der liebe gott – bei vielen ein modisches accessoire.
vordergründig. wenn jedoch keine_r hinsieht, hält man das schmuckstück ganz fest an sich und bittet: „lieber gott/allah/jahwe/xyz! mach dass…“
also, auch wir tragen unsere götter und unseren (aber-)glauben mit uns mit.

rosenkranz to go

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