Zukunftsgeflüster · 23. Dezember 2015

Bedingungsloses Schenken erwartet keinen Dank

Schenken gehört zu den schönsten zwischenmenschlichen Handlungen, die wir Menschen schon von klein auf lernen. Vom Beschenkten erwarten wir dabei keine Gegenleistung, außer ein wenig Dankbarkeit. Doch was, wenn das „Dankeschön“ ausbleibt? Über eine nicht so ganz eigennützige 

Hält uns jemand die Tür auf, macht ein Kompliment oder lobt uns für gute arbeit, so reagieren wir in der Regel stets mit einer freundlichen Geste, gefolgt von einem schlichten Wort: „Danke“.

Dankbar zu sein für eine uns entgegengebrachte Aufmerksamkeit – und diese Dankbarkeit unserem Gegenüber zu zeigen – gehört zu den ersten „Benimm“-Regeln, die wir von unseren Eltern eingetrichtert bekommen. Und die wir eifrig an unsere Kinder weitergeben. Mit Sätzen wie „Sag schön danke!“ oder „Was sagt man da?“ wollen wir sie zu höflichen und dankbaren Menschen erziehen.

Ein wenig Historie übers Schenken und Beschenkt-Werden

Die typischste Situation, in der wir Dankbarkeit erlernen, ist das Schenken – oder eher das Beschenkt-Werden. Zahlreiche sozialwissenschaftliche Studien haben sich mit dem Schenkphänomen befasst.

„Schenken gehört zu einer der positivsten zwischenmenschlichen sozialen Handlungen“, schreibt etwa der Soziologe Friedrich Rost.

Dabei unterscheidet er zwischen anlassgebundenen Pflichtgeschenken, wie dies etwa bei Staatsbesuchen der Fall ist und dem überraschenden Schenken, das allein dazu dient, den Beschenkten zu erfreuen, für Rost das „wirkliche Schenken“.

Dies war nicht immer der Fall.

In „Die Gabe. Form und Funktion des Austauschs in archaischen Gesellschaften“ beschrieb der französische Soziologe Marcel Mauss 1925 aufwendige Schenkzeremonien bei den Kwakiutl, einem indigenen Volk an der Küste Nordamerikas. Bei deren Schenkzeremonien, ‚Potlatsch‘ genannt, die zwischen zwei benachbarten und rivalisierenden Gruppen stattfanden, ging es beim gegenseitigen Beschenken einzig und allein darum, der anderen Gruppe durch das Darbringen der Geschenke Großzügigkeit und Wohlstand zu demonstrieren und sich gegenseitig zu übertrumpfen.

Ähnliche Funktion hatten Geschenke im frühen Mittelalter im fränkischen Raum, wie der Historiker Jürgen Hannig herausfand. Erst der Aufstieg des wohlhabenden Bürgertums hat das Schenken zu dem gemacht, was es heute ist: Einem altruistischen Akt zur Festigung von (bestehenden) sozialen Beziehungen zwischen Individuen, die sich kennen.

Heute gilt die Form des überraschenden, nicht anlassgebundenen Schenkens als – so der Rost – die edelste und eigentlich auch die aufrichtigste Form des Schenkens:

„Überraschend für den Empfänger und ohne Erwartung auf Erwiderung seitens des Gebers.“

Ach, diese Erwartungen! Wenn das „Danke“ ausbleibt…

Doch stimmt es wirklich? Erwarten wir wirklich nichts, wenn wir jemanden beschenken, ihm etwas von uns geben? Nicht so ganz. Denn oftmals, vielleicht sogar ohne es zu wissen, erwartet der Mensch schon eine Reaktion auf seine Aktion. Und zwar eine positive.

Habt ihr euch vielleicht schon mal selbst in einer Situation wie dieser wiedergefunden: Ihr überreicht einem Freund ein Geschenk oder legt einem Obdachlosen Geld in die Schale, wartet auf ein „Dankeschön!“ und es kommt: Nichts?

Womöglich sagt noch der Bekannte „Oh, das steht mir ja überhaupt nicht“ und der Obdachlose fragt forsch: „Ey mann – warum denn so wenig?“

Wie fühlte es sich an? Machte sich dann vielleicht ein Gefühl breit, das sich eher „ungut“ anfühlte? Machte sich vielleicht so etwas wie Empörung breit, oder Ärger über diese ach so undankbaren Menschen? Und habt ihr euch vielleicht dann sogar gewünscht, ihr könntet alles rückgängig machen, dem Bekannten niemals etwas überreicht zu haben und das verschenkte Geld wieder an sich zu nehmen?

Bedingungsloses Geben heißt: nichts erwarten

Offensichtlich war das Schenken und das Geben doch nicht so ganz „ohne Erwartung auf Erwiderung“. Offensichtlich gab es wohl doch eine Erwartung: Nämlich jene, dass der beschenkte Mensch „dankbar“ ist.

Natürlich ist es ein schönes Gefühl, wenn deine großzügige Geste, dein gebender Akt entsprechend honoriert wird. Nur sollte es nicht zur Bedingung gemacht werden.

Jeder hört gerne ein „Dankeschön“. Wird diese Erwartung (die vielleicht unbewusst, aber dennoch da war) nicht erfüllt, tritt anstelle des ursprünglich erwarteten positiven Gefühls ein negatives – die Enttäuschung darüber, dass der Andere nicht so reagierte, wie man es von ihm erwartet hat.

„Erwartungen ruinieren Beziehungen“ lautet das Mantra von Neale Donald Walsh, dem Autor von „Gespräche mit Gott“. Übertragen auf die Beziehung zwischen dem Gebenden und dem Nehmenden bedeutet es: Wenn du von vornherein erwartest, dass dein Geben mit Dankbarkeit honoriert wird, dann ist es nicht bedingungslos…

„Erwarte nichts, dann wirst du nicht enttäuscht“, heißt es ähnlich im Volksmund. Auch wenn der Spruch zunächst einmal pessimistisch klingen mag, offenbart einfach eine positive Lesart, dass dieser Spruch nichts anderes bedeutet als: Wir sollen unsere innere Verfassung, unsere Stimmungen und Gefühle nicht davon abhängig machen, ob das Umfeld, die Mitmenschen unser Tun und Wirken gebührend mit Dankbarkeit würdigen.

Wenn wir vom ganzen Herzen jemandem ein Geschenk machen, ihm eine Aufmerksamkeit zukommen lassen wollen – dann sollten wir es einfach tun! Und zwar ohne Erwartungen. Konsequent zu Ende gedacht heißt es also auch, sich nicht zu ärgern, wenn man für das Geben nichts zurück bekommt. Das „wirkliche“ Schenken ist ja, wie der Soziologe Rost bemerkte, ein Schenken/Geben „ohne Erwartung auf Erwiderung“.

Warum macht Schenken eigentlich Freude?

Laut Walsh ist der Grund ganz einfach: Keiner kann geben, was er nicht schon hat. Das gilt sowohl für die materiellen als auch immateriellen Dinge. Ob ich Geld- oder Sachspenden an Hilfsbedürftige verteile, mich in meiner Freizeit ehrenamtlich engagiere, oder einfach meinen Mitmenschen im Alltag helfe.

Es gilt: Ich gebe etwas von mir – Aufmerksamkeit, Liebe oder auch Geld – weil ich es habe und es mit Anderen teilen will. (Und weil ich es nicht anders kann.) Ein solches bedingungsloses Geben kann also für den Gebenden nur pure Freude bedeuten.

Erwartung hingegen würde bedeuten, so Walsh, „ich spüre einen Mangel, mir fehlt etwas.“

Bedingungsloses Geben heißt Überfluss. Ich habe etwas zu geben. Keine Erwartungen zu haben heißt, mit sich selbst und mit dem eigenen Leben im Reinen zu sein.

„Weil es dich gibt“. Bedingungslose Liebe zwischen Eltern und Kind

Eine weitere Möglichkeit, sich an ein Geben ohne Erwartungen, ein Geben ohne Bedingungen zu erinnern ist es, an diese zauberhafte Zeit zurückzudenken, als man sein Neugeborenes erstmals in den Armen hielt, in seine Augen blickte und sich dachte: Dir, kleiner Mensch, dir allein lege ich die Welt zu Füßen!

Von unseren Kindern erwarten wir nichts – zumindest bis zu einem bestimmten Alter. (Warum eigentlich?)

Wie denn auch? Kinder sind wahre Egoisten! Ich-bezogen leben sie in ihrer eigenen Welt. Sie fordern, sie wollen haben, sie sind der Mittelpunkt, um den sich alles dreht.

Dankbarkeit nach außen zu kommunizieren gehört in den ersten Jahren noch nicht zu ihrem Repertoire. Und den Eltern macht es nichts aus! Allein die Liebe zu den Kindern und die empfundene Dankbarkeit, dass es sie gibt, macht es möglich.

Bedingungsloses Geben erwartet keinen Dank. Sollte es zumindest nicht. Denn wenn wir uns vor Augen führen, dass wir alle eins sind und – wie Walsh sagt – nach Gottes Ebenbild erschaffen, so beschenken wir eigentlich in dem Augenblick, in dem wir jemand anderen beschenken, auch uns selbst.

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