als ich letztens erneut über mein leben und mich darin grübelte (ja, ich fahre sehr viel auto zur zeit und da kann ich mir sehr schwer entkommen…), da leuchtete es im oberstübchen plötzlich lichterloh:
fakt ist: ich lebe in einer welt, in der mich niemand versteht.
— julia HERZ-elHA (@missEXZ) 29. November 2016
und als ich dann mein leben revue passieren ließ, wurde mir klar: es hätte gar nicht anders kommen können. dieser wesenszug, dieses immer-etwas-anders-sein-als-die-anderen war schon immer da, schlich sich immer wieder in mein leben, schlug immer wieder durch, und zu – und formte mich.
da ist sie, diese julia:
erst ist sie die einzige, die liest (mit vier jahren). mitten unter gleichaltrigen, die es nicht tun. also liest sie, tagein, tagaus. man nutzt ihr talent und setzt sie in der kita als vorleserin ein, während man sich einen kaffee kocht.
dann ist sie die einzige, die kein deutsch spricht. mitten unter gleichaltrigen, derer sprache sie kaum mächtig ist, die gerade mal weiß, wie sie diese fremden buchstaben lesen und schreiben kann. also geht sie nach hause und lernt neben den hausaufgaben, in dieser sprache zu kommunizieren.
dann ist sie die einzige, die beide sprachen versteht. mitten zwischen deutschsprechenden und russischsprechenden, die sich nur anschauen und anlächeln können. also rutscht sie in die vermittlerrolle rein, übersetzt bei sprachlichen problemen. und versucht, zwischen den kulturen zu „dolmetschen“.
dann ist sie eine von insgesamt 3 personen (in der gesamten schule) die meinte, sie muss unbedingt in französisch abitur machen. der rest hat die sprache komplett abgewählt. (nicht mal ein grundkurs kam zustande).
dann ist sie die erste, die heiratet. mitten unter freunden, die diese begriffe, „heirat“ und „ehe“, nur vom hörensagen kennen. also rutscht sie in die pionierrolle rein und plaudert aus dem nähkästchen, wie es ist, verheiratet zu sein.
dann ist sie die erste, die mutter wird. mitten unter freunden, die … ach, ihr wisst schon. oder lest noch mal den absatz oben und denkt euch die kategorien „kind“, „stillen“, „trocken werden“, „work-life-balance?“ dazu.
und davor, währenddessen und immer, immer wieder war und bin ich die einzige, deren herz höher schlägt, wenn es ums tanzen (modern, zeitgenössisch, jazz, trancetanz), mode (aber nicht auf die kranke fashion-victim-ich-geb-pro-monat-200-euro-aus-art), bloggosphäre und spirituelles geht. mitten unter menschen, die diese sachen kalt lassen, weil sie einfach komplett anders ticken.
wir leben zur zeit in einer stark individualisierten welt. all die selbstfindungs-ich-bin-so-einzigartig-mir-doch-egal-wie-du-mich-findest-sprüche, coaches, seminare, die dir, einreden: es ist ok, so zu sein, wie man ist (mit eigenen macken inklusive), sei nicht wie die anderen (die gibt es ja schon), traue dich, einzigartig und crazy und bekloppt und wasauchimmerduwillst zu sein.
und das finde ich die meiste zeit auch gut so. genauso soll es sein. ich kann mich damit voll und ganz identifizieren, zumindest mit der idee dahinter (an der umsetzung hapert es noch). ich versuche immer mehr, dieses individuelle bewusst auszuleben, mich zu akzeptieren, wie ich bin (mit fehlern und macken). ich bin gerne ein unikat, exzentrisch, ein buch mit sieben siegeln (für andere) und ein mysterium (für meine bewunderer). und ich sitze gerne zwischen den stühlen. wandere an den grenzen zwischen den lagern, vermittle, wie es geht, versuche zu helfen, wo immer es geht. im namen der (völker-)verständigung.
die meiste zeit zumindest.
doch manchmal, nur manchmal wünsche ich mir eben doch ein paar menschen um mich herum, die für die selben sachen brennen wie ich, die die selben weltanschauungen vertreten, die die selben ansichten teilen. gleichgesinnte eben. sie fehlen. und es gibt phasen im leben, da will man einfach ein ja-und-amen und bin-ganz-deiner-meinung hören und nichts anderes. in dieser phase lebe ich. und diese menschen brauche ich.
es ist ok, anders zu sein als andere, individuell zu sein, ein unikat zu sein. denn nur in kontakt mit den/dem anderen sind wir überhaupt in der lage, uns selbst als individuum wahrzunehmen, zu erfahren, wer und wie wir sind. dennoch ist es einfach ein schönes gefühl, ab und zu auf jemand zu treffen, der dich versteht. auch ohne miteinander zu sprechen. im endeffekt sind wir menschen wohl doch überwiegend wir-menschen.
(die kommentare, ihr dürft sie gern für euch behalten. sind nicht nötig 🙂 schreiben ist für mich wie therapie – und diese sitzung ist nun vorbei. auf ein neues.)