Deutschland 2018. Menschen veranstalten Hetzjagden auf Menschen, die angeblich nicht „dazu gehören“. Und Politiker sympathisieren lieber mit Hetzern, blicken zweifelnd auf die Opfer, so als würden sie sich nochmals vergewissern wollen: „Seid ihr sicher, dass ihr gehetzt wurdet?“
Es ist wie mit den Weltverschwörungstheoretikern und Sektenmitgliedern – mit besorgten und nazifreundlichen Bürgern zu reden ist schlichtweg sinnlos. Sie sind nicht (mehr) empfänglich für die Argumente der anderen Seite. Diese anderen Sichtweisen des Gegenübers sind ihnen vollkommen egal bzw. erscheinen ihrer Meinung nach als unglaubwürdig, denn sie fühlen sich im recht.
Gegen Gefühle helfen keine Argumente
Und das ist das Problem. Gefühle. Sobald Gefühle im Spiel sind, schaltet das Gehirn ab. Kennen wir alle. Wenn wir bis über beide Ohren verliebt, bis zur Weißglut wütend, bis zum Gehtnichtmehr ängstlich sind. Unmöglich, rational zu denken.
Da kann man sich dumm und dämlich argumentieren: Gegen die gefühlte Wahrheit sind Fakten eine Utopie. Ein nahrhafter Boden für Fake News.
Dann wird’s noch schlimmer. Irgendwann ist der Point of no return erreicht. Die gefühlte Wahrheit wird mit der Zeit für den diese Wahrheit Fühlenden zur Realität. Heißt: Fortan sieht er die Welt durch den Filter seiner durchs Gefühl getrübte Brille.
Das ist eigentlich ein ganz normaler Vorgang. Einem Fashionista fallen automatisch jene Menschen auf, die den letzten Schrei der Saison spazieren tragen, eine Schwangere sieht plötzlich überall Schwangere. Der Weltverschwörungstheoretiker wittert (und sieht auch!) überall Weltverschwörungen, das Sektenmitglied die bevorstehende Apokalypse, der besorgte Bürger die integrationsunwilligen Scharia-Liebhaber.
Wenn das geschehen ist, wenn dieser Mensch beginnt, den Sprech dieser Gruppen nachzuplappern, die Welt durch deren verquere Brillen zu sehen – dann ist der Mensch verloren.
Dann hilft kein Reden mehr. Dann hilft nur noch konsequentes Abblocken. Denn argumentieren ist, wie schon gesagt, Wort- und Luftverschwendung. Die Brille dem Gegenüber abzunehmen ist eigentlich so gut wie unmöglich.
Einen kleinen Hoffnungsschimmer gibt’s für unsere Gesellschaft vielleicht doch noch. Aber nur für die jüngere Generation. Und vielleicht kann auch aus Deutschland noch eine weltoffene, Menschen jeglicher Couleur willkommen heißende, die menschliche und kulturelle Vielfalt l(i)ebende Gesellschaft werden, wenn wir Gutmenschen bei den Kleinsten anfangen, ihnen diese Werte beizubringen.
Wenn wir in Kitas und Schulen und Jugendzentren gehen und sie dort interkulturell sensibilisieren und ihnen zeigen, dass „anders sein“ nicht gleichbedeutend mit „schlechter“ oder „besser sein“ ist, sondern einfach nur „anders“, ja, dann können wir dieses Deutschland vielleicht noch retten.